Muli bwanji!
Vor gefühlten Wochen haben Anne und ich unsere Halbzeit in Malawi
gefeiert und nun sind schon wieder 3 ganze Monate um und es ist Zeit
für meinen 3. Weltwärtsbericht. Die Zeit von Februar bis Mai ist
noch schneller als zuvor vergangen..vor kurzem saßen wir noch am
Weihnachtstisch und nun ist Ostern schon vorbei – und glaubt mir:
Genauso wie ich in meinem 2. Bericht geschrieben habe, dass man
Weihnachten mal in Malawi erlebt haben muss, so geht es mir nun auch
mit Ostern. Besonders gefallen hat mir der Karfreitag, als wir von
einem Dorf aus (ca. 1 Stunde von Madisi entfernt) zur Kirche gegangen
sind und Jugendliche während des Kreuzweges die Passionsgeschichte
nachgespielt haben. Das war wirklich sehr eindrucksvoll und so haben
auch die Kleinsten verstanden, worum es geht. Aus dem 1-stündigen
Weg wurden dann 3 Stunden und insgesamt hat der Kreuzweg mit
anschließender Messe 7 Stunden gedauert, was den Menschen vor Ort
aber nichts ausmacht, denn der Glaube gehört einfach zum Alltag dazu
und das finde ich, ist eine der schönsten Eigenschaften der
Malawier: Sie stecken Gott nicht in eine “Sonntagmorgenbox”,
sondern Er ist immer dabei: In Form von Gebet, Tanz, Gesang oder
Unterhaltungen.
In der
Abendmesse vor dem Ostersonntag wurde Gott wunderschön in Form von
Tanz gepriesen: Wie so oft an großen Feiertagen, tanzten viele,
viele Mädchen in weißen Kleidern um den Altar und die Osterkerze
herum. Diesmal war es sogar noch schöner als sonst, weil jedes der
Mädchen eine angezündete Kerze in der Hand hielt und durch
geschickte Bewegungen der dunklen Kirche einen besonderen Schein
verliehen hat.
Nicht nur
die Osterzeit hat meine Osterferien in Malawi besonders schön
gemacht, sondern auch der Urlaub. Zunächst war ich gemeinsam mit den
Freiwilligen aus den anderen Projekten in Kande Beach und
anschließend mit meiner Projektpartnerin Anne in Nkhata Bay –
beide Orte liegen eher im Nord-Osten Malawis am Malawisee.
Urlaube in
Malawi sind immer schön: Nicht nur, weil die Natur so atemberaubend
ist, sondern auch, weil man jedesmal Gleichgesinnte trifft, zB.
Freiwillige aus ganzer Welt. Da kommen nicht selten spannende
Gespräche zustande. In Nkhata Bay haben wir eine malawische Freundin
besucht und hatten durch diese viel Kontakt zu den Einheimischen.. so
konnten wir Nkhata Bay auch von einer anderen Seite kennenlernen: Wer
kann schon von sich sagen, schon einmal draußen unter freiem
Sternenhimmel, mit dem Rauschen des Malawisees im Hintergrund und bei
Kerzenschein Abendessen gegessen zu haben?
Nach dem Urlaub war ich dann aber auch
wieder froh, in “mein” Madisi wiederzukehren und all die
bekannten Gesichter wiederzusehen und zu meiner Arbeit zurückzukehren
– in Malawi arbeite ich nicht, um zu überleben, sondern lebe für
die Arbeit und das finde ich sehr gut so. Die Arbeit fängt morgens
um 7 an und ist auch nach 17 Uhr nicht zu Ende, weil immer noch etwas
getan werden muss. Unterricht muss vorbereitet werden, Tests
korrigiert usw. Ich bin extra wegen des Unterrichtes nach Malawi
gekommen und ich finde es schön, dass mein Leben sich zurzeit so um
die Schule dreht. Diese Erfahrung – sich voll und ganz auf eine
Sache zu konzentrieren – muss man auch mal gemacht haben.
Die Kinder bestätigen mich immer
wieder in meiner Arbeit. Z.B. Habe ich kurz nach dem Urlaub, noch
während der Ferien, einen Schüler getroffen, der mit den Worten
„Muli bwanji Miss Nicole“ auf mich zu kam. Muli bwanji sagt man
in Malawi, wenn man eine fremde Person zum ersten Mal begrüßt oder
wenn man jemanden vermisst hat. Und ich weiß jetzt schon, dass ich
die Kinder am aller,allermeisten vermissen werde..
Ich unterrichte dieses Term wieder
Expressive Arts und Life Skills in Standard 5a und 5b. Zunächst hat
es mir Angst gemacht, dass ich in Expressive Art so viel praktisch
mit den Kindern arbeiten muss, weil es nicht immer leicht ist, mit 80
Kindern in einer Klasse ein praktisches Projekt zu machen. Nun, wo
ich bereits zwei Projekte hinter mir habe - Besen und Fußmatten aus
Palmblättern flechten – kann ich sagen, dass meine Sorge
unberechtigt war. Daran, dass die praktische Arbeit mit den Kindern
nun viel besser läuft als in Term 1 habe ich gemerkt, dass ich mich
im Unterrichten wohl weiter entwickelt haben muss, was mich sehr
freut. Es macht wirklich Spaß, praktische mit den Kindern zu
Arbeiten, weil man noch einmal ganz anders als im sonstigen
Unterricht zum Gespräch kommt und außerdem auch noch so viel von
den Kindern lernt – die Produkte ihrer Arbeit gefallen mir so sehr,
dass ich mit dem Gedanken spiele, sie am Ende des Terms zusammen mit
den Kindern in unserer Schule an Eltern und Verwandte zu verkaufen.
Nachmittags arbeite ich zurzeit viel in
der Bücherei. Anne und ich lassen jeden Tag Kinder eines anderen
Standards in die Bücherei, damit diese lesen oder für den
Unterricht recherchieren können. Es macht den Kindern so viel Spaß,
dass uns ständig mehr Kinder darum bitten, in die Bücherei zu
dürfen, die jedoch nicht groß genug ist, um alle gleichzeitig
hinein zu lassen und allen gerecht zu werden – wir versuchen aber
unser Bestes.
Außer der Bücherei leiten Anne und
ich weiterhin den „Dancing Club“, der in letzter Zeit auch
wächst, was uns sehr freut. Die Mädchen bemühen sich den Tanz zu
malawischer Musik inklusive Partnertanzschritten und Hebefiguren zu
lernen und wenn sie mal eine Pause vom Lernen brauchen, zeigen sie
Anne und mir einfach einheimische Tänze – die wir wohl noch etwas,
oder auch: etwas lange, üben müssen, bis wir es wie die Mädchen
können. Eine Siebtklässlerin hat mal gesagt: „I think God made
Miss Anne and Miss Nicole to dance“ (Dt. „Gott hat Miss Anne und
Miss Nicole zum Tanzen geschaffen.“), aber die Wahrheit ist, dass
Gott die Malawierinnen wohl zum Tanz geschaffen hat, denn sie können
es einfach ALLE!
In anderen Bereichen der Kultur haben
Anne und ich aber schon große Fortschritte gemacht: Im Bawo, dem
Brettspiel, welches jede Malawierin und jeder Malawier schon von
Klein auf spielen, werden Anne und ich immer besser, aber wir lernen
schließlich ja auch von den Besten und üben viel zu Hause!!
Mittlerweile sind wir so gut, dass wir schon gegen Malawier gewinnen,
was mir vor einiger Zeit noch unmöglich erschien.
Was mir außerdem noch unmöglich
erschien ist, dass ich in Malawi mal frieren werde, was vor Kurzem
aber doch geschehen ist. Die Regenzeit ist nun vorbei und der
„Winter“ rückt näher, dh. Es ist trocken, windig und relativ
kühl. Manchmal schlafe ich sogar mit zwei Decken und morgens kann
man beim Ausatmen seinen eigenen Atem sehen! Ich finde diese
Jahreszeit super, da ich sowieso eher ein Herbst-Winter-Mensch bin,
dennoch frage ich mich, wie ich mich im Winter in Deutschland fühlen
werde, wenn mir das Wetter hier jetzt schon so kalt vorkommt?!
Da wir nun wieder in der Trockenzeit
sind, hoffe ich sehr, auf die wunderschönen Sonnenaufgänge, die ich
am Anfang in Malawi erleben durfte: Als die Sonne aussah, wie ein
riesiger roter Ball. Hoffentlich wird es bald wieder so sein, denn
während der Regenzeit waren die Sonnenaufgänge eher wunderschön
goldgelb als feuerrot – aber dennoch atemberaubend. Was außerdem
beeindruckend ist, ist der Sternenhimmel, da er so,so voll von
Sternen ist!! So etwas habe ich in Deutschland noch nie gesehen.
Letzten habe ich morgens um 5 Uhr sogar eine Sternschnuppe gesehen.
Die Regenzeit, die während der letzten
3 Monate zu ihrem Ende gekommen ist, ist bekannt dafür, dass so
viele Mücken herumschwirren und viele Leute an Malaria erkranken.
Auch mich hat es erwischt und so lag ich einige Tage mit Fieber und
Schüttelfrost im Bett. Im Endeffekt muss ich aber sagen, dass ich es
mir viel schlimmer vorgestellt habe..ich lag 4 Tage im Bett und
wirklich schlecht ging es mir davon nur an einem Tag. Aber meine
Projektpartnerin Anne und Johanna, die von Januar bis März bei uns
war und im Krankenhaus gearbeitet hat,haben sich so gut um mich
gekümmert, dass es mir gar nicht so schlecht gehen konnte. Ich fand
es schön, dass so viele Leute an mich gedacht haben und gefragt
haben wie es mir geht. In Malawi fühlt man sich eben niemals allein!
Besonders in letzter Zeit bin ich
selten alleine. Nach der Schule und am Wochenende besuchen Anne und
ich oft Lehrer oder Leute aus der Dorf. Da wird dann gequatscht, sich
gegenseitig mit der Unterrichtsvorbereitung geholfen, gekocht, Bawo
gespielt oder sich mit den Familienmitgliedern auf Chichewa
unterhalten. So lernt man es eben am Besten! In Madisi selbst ist
auch genug los. So war vor Kurzem Malawis jetzige Präsidentin Joyce
Banda zusammen mit dem Vizepräsidenten und einer Menge an Security
in Madisi und hat zu den Leuten gesprochen. In Malawi gibt es sehr
viele Parteien und in wenigen Tagen, am 20.Mai, sind die Wahlen,
weshalb die meisten Kandidaten durch die Dörfer fahren und
versuchen, die Menschen für sich zu überzeugen, da viele Malawier
sich, auch noch so kurz vor den Wahlen, überhaupt nicht sicher sind,
wen sie wählen möchten.
Außerdem war ich vor einiger Zeit in
der CCAP-Gemeinde in Malawi, wo ein Fundraising stattfand: Mehr als
20 Chöre aus ganz Malawi sind gekommen und haben gegen eine Spende
gesungen und getanzt. Das war wirklich sehr schön..einigen Kindern
aus meiner Klasse hat es so gut gefallen, dass sie durchgehend
getanzt haben, während die Chöre gesungen haben. Einige der Mädchen
sind nun unserem Dancing Club beigetreten – man findet Talente
manchmal eben an Orten, wo man sie gar nicht erwartet hätte!
Die letzten 3 Monate haben mich auch in
meinen Ideen, wie ich meine Zukunft gestalten möchte,
weitergebracht. Ich habe nämlich seit dem Abi zwischen
Grundschullehramt und Lehramt am Gymnasium geschwankt, nun aber bin
ich mir sicher, dass ich lieber Grundschullehrerin werden möchte.
Schwester Raynelda hat es mir ermöglicht, mal eine Stunde in
Standard 7 zu unterrichten und obwohl es Spaß gemacht hat, ist mir
sofort klar geworden: Ich erkläre lieber Grundlagen, anstatt schon
vorhandenes Wissen auszuführen.
Ich bin wirklich sehr froh und dankbar
dafür, dass in in Madisi die Chance dazu habe, eine ganze
Jahrgangsstufe zu unterrichten, obwohl ich noch nicht Lehramt
studiert und auch sonst niemals vor einer ganzen Klasse unterrichtet
habe, denn wie könnte ich mir sicherer sein, dass ich diesen Beruf
in der Zukunft ergreifen möchte, als wenn ich nicht schon ein Jahr
Erfahrung darin gemacht hätte?
Es geht nicht leicht übers Papier und
erscheint mir bis jetzt auch noch so unglaubwürdig, aber: Den
nächsten Bericht von mir werdet ihr schon aus Deutschland hören!
Liebe Grüße aus Malawi und Tionana!
Nicole
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