Dienstag, 20. Mai 2014

"Winter" in Malawi - Weltwärtsbericht Nr.3

Muli bwanji! Vor gefühlten Wochen haben Anne und ich unsere Halbzeit in Malawi gefeiert und nun sind schon wieder 3 ganze Monate um und es ist Zeit für meinen 3. Weltwärtsbericht. Die Zeit von Februar bis Mai ist noch schneller als zuvor vergangen..vor kurzem saßen wir noch am Weihnachtstisch und nun ist Ostern schon vorbei – und glaubt mir: Genauso wie ich in meinem 2. Bericht geschrieben habe, dass man Weihnachten mal in Malawi erlebt haben muss, so geht es mir nun auch mit Ostern. Besonders gefallen hat mir der Karfreitag, als wir von einem Dorf aus (ca. 1 Stunde von Madisi entfernt) zur Kirche gegangen sind und Jugendliche während des Kreuzweges die Passionsgeschichte nachgespielt haben. Das war wirklich sehr eindrucksvoll und so haben auch die Kleinsten verstanden, worum es geht. Aus dem 1-stündigen Weg wurden dann 3 Stunden und insgesamt hat der Kreuzweg mit anschließender Messe 7 Stunden gedauert, was den Menschen vor Ort aber nichts ausmacht, denn der Glaube gehört einfach zum Alltag dazu und das finde ich, ist eine der schönsten Eigenschaften der Malawier: Sie stecken Gott nicht in eine “Sonntagmorgenbox”, sondern Er ist immer dabei: In Form von Gebet, Tanz, Gesang oder Unterhaltungen.
In der Abendmesse vor dem Ostersonntag wurde Gott wunderschön in Form von Tanz gepriesen: Wie so oft an großen Feiertagen, tanzten viele, viele Mädchen in weißen Kleidern um den Altar und die Osterkerze herum. Diesmal war es sogar noch schöner als sonst, weil jedes der Mädchen eine angezündete Kerze in der Hand hielt und durch geschickte Bewegungen der dunklen Kirche einen besonderen Schein verliehen hat.

Nicht nur die Osterzeit hat meine Osterferien in Malawi besonders schön gemacht, sondern auch der Urlaub. Zunächst war ich gemeinsam mit den Freiwilligen aus den anderen Projekten in Kande Beach und anschließend mit meiner Projektpartnerin Anne in Nkhata Bay – beide Orte liegen eher im Nord-Osten Malawis am Malawisee.
Urlaube in Malawi sind immer schön: Nicht nur, weil die Natur so atemberaubend ist, sondern auch, weil man jedesmal Gleichgesinnte trifft, zB. Freiwillige aus ganzer Welt. Da kommen nicht selten spannende Gespräche zustande. In Nkhata Bay haben wir eine malawische Freundin besucht und hatten durch diese viel Kontakt zu den Einheimischen.. so konnten wir Nkhata Bay auch von einer anderen Seite kennenlernen: Wer kann schon von sich sagen, schon einmal draußen unter freiem Sternenhimmel, mit dem Rauschen des Malawisees im Hintergrund und bei Kerzenschein Abendessen gegessen zu haben?

Nach dem Urlaub war ich dann aber auch wieder froh, in “mein” Madisi wiederzukehren und all die bekannten Gesichter wiederzusehen und zu meiner Arbeit zurückzukehren – in Malawi arbeite ich nicht, um zu überleben, sondern lebe für die Arbeit und das finde ich sehr gut so. Die Arbeit fängt morgens um 7 an und ist auch nach 17 Uhr nicht zu Ende, weil immer noch etwas getan werden muss. Unterricht muss vorbereitet werden, Tests korrigiert usw. Ich bin extra wegen des Unterrichtes nach Malawi gekommen und ich finde es schön, dass mein Leben sich zurzeit so um die Schule dreht. Diese Erfahrung – sich voll und ganz auf eine Sache zu konzentrieren – muss man auch mal gemacht haben.

Die Kinder bestätigen mich immer wieder in meiner Arbeit. Z.B. Habe ich kurz nach dem Urlaub, noch während der Ferien, einen Schüler getroffen, der mit den Worten „Muli bwanji Miss Nicole“ auf mich zu kam. Muli bwanji sagt man in Malawi, wenn man eine fremde Person zum ersten Mal begrüßt oder wenn man jemanden vermisst hat. Und ich weiß jetzt schon, dass ich die Kinder am aller,allermeisten vermissen werde..

Ich unterrichte dieses Term wieder Expressive Arts und Life Skills in Standard 5a und 5b. Zunächst hat es mir Angst gemacht, dass ich in Expressive Art so viel praktisch mit den Kindern arbeiten muss, weil es nicht immer leicht ist, mit 80 Kindern in einer Klasse ein praktisches Projekt zu machen. Nun, wo ich bereits zwei Projekte hinter mir habe - Besen und Fußmatten aus Palmblättern flechten – kann ich sagen, dass meine Sorge unberechtigt war. Daran, dass die praktische Arbeit mit den Kindern nun viel besser läuft als in Term 1 habe ich gemerkt, dass ich mich im Unterrichten wohl weiter entwickelt haben muss, was mich sehr freut. Es macht wirklich Spaß, praktische mit den Kindern zu Arbeiten, weil man noch einmal ganz anders als im sonstigen Unterricht zum Gespräch kommt und außerdem auch noch so viel von den Kindern lernt – die Produkte ihrer Arbeit gefallen mir so sehr, dass ich mit dem Gedanken spiele, sie am Ende des Terms zusammen mit den Kindern in unserer Schule an Eltern und Verwandte zu verkaufen.

Nachmittags arbeite ich zurzeit viel in der Bücherei. Anne und ich lassen jeden Tag Kinder eines anderen Standards in die Bücherei, damit diese lesen oder für den Unterricht recherchieren können. Es macht den Kindern so viel Spaß, dass uns ständig mehr Kinder darum bitten, in die Bücherei zu dürfen, die jedoch nicht groß genug ist, um alle gleichzeitig hinein zu lassen und allen gerecht zu werden – wir versuchen aber unser Bestes.
Außer der Bücherei leiten Anne und ich weiterhin den „Dancing Club“, der in letzter Zeit auch wächst, was uns sehr freut. Die Mädchen bemühen sich den Tanz zu malawischer Musik inklusive Partnertanzschritten und Hebefiguren zu lernen und wenn sie mal eine Pause vom Lernen brauchen, zeigen sie Anne und mir einfach einheimische Tänze – die wir wohl noch etwas, oder auch: etwas lange, üben müssen, bis wir es wie die Mädchen können. Eine Siebtklässlerin hat mal gesagt: „I think God made Miss Anne and Miss Nicole to dance“ (Dt. „Gott hat Miss Anne und Miss Nicole zum Tanzen geschaffen.“), aber die Wahrheit ist, dass Gott die Malawierinnen wohl zum Tanz geschaffen hat, denn sie können es einfach ALLE!

In anderen Bereichen der Kultur haben Anne und ich aber schon große Fortschritte gemacht: Im Bawo, dem Brettspiel, welches jede Malawierin und jeder Malawier schon von Klein auf spielen, werden Anne und ich immer besser, aber wir lernen schließlich ja auch von den Besten und üben viel zu Hause!! Mittlerweile sind wir so gut, dass wir schon gegen Malawier gewinnen, was mir vor einiger Zeit noch unmöglich erschien.
Was mir außerdem noch unmöglich erschien ist, dass ich in Malawi mal frieren werde, was vor Kurzem aber doch geschehen ist. Die Regenzeit ist nun vorbei und der „Winter“ rückt näher, dh. Es ist trocken, windig und relativ kühl. Manchmal schlafe ich sogar mit zwei Decken und morgens kann man beim Ausatmen seinen eigenen Atem sehen! Ich finde diese Jahreszeit super, da ich sowieso eher ein Herbst-Winter-Mensch bin, dennoch frage ich mich, wie ich mich im Winter in Deutschland fühlen werde, wenn mir das Wetter hier jetzt schon so kalt vorkommt?!

Da wir nun wieder in der Trockenzeit sind, hoffe ich sehr, auf die wunderschönen Sonnenaufgänge, die ich am Anfang in Malawi erleben durfte: Als die Sonne aussah, wie ein riesiger roter Ball. Hoffentlich wird es bald wieder so sein, denn während der Regenzeit waren die Sonnenaufgänge eher wunderschön goldgelb als feuerrot – aber dennoch atemberaubend. Was außerdem beeindruckend ist, ist der Sternenhimmel, da er so,so voll von Sternen ist!! So etwas habe ich in Deutschland noch nie gesehen. Letzten habe ich morgens um 5 Uhr sogar eine Sternschnuppe gesehen.

Die Regenzeit, die während der letzten 3 Monate zu ihrem Ende gekommen ist, ist bekannt dafür, dass so viele Mücken herumschwirren und viele Leute an Malaria erkranken. Auch mich hat es erwischt und so lag ich einige Tage mit Fieber und Schüttelfrost im Bett. Im Endeffekt muss ich aber sagen, dass ich es mir viel schlimmer vorgestellt habe..ich lag 4 Tage im Bett und wirklich schlecht ging es mir davon nur an einem Tag. Aber meine Projektpartnerin Anne und Johanna, die von Januar bis März bei uns war und im Krankenhaus gearbeitet hat,haben sich so gut um mich gekümmert, dass es mir gar nicht so schlecht gehen konnte. Ich fand es schön, dass so viele Leute an mich gedacht haben und gefragt haben wie es mir geht. In Malawi fühlt man sich eben niemals allein!

Besonders in letzter Zeit bin ich selten alleine. Nach der Schule und am Wochenende besuchen Anne und ich oft Lehrer oder Leute aus der Dorf. Da wird dann gequatscht, sich gegenseitig mit der Unterrichtsvorbereitung geholfen, gekocht, Bawo gespielt oder sich mit den Familienmitgliedern auf Chichewa unterhalten. So lernt man es eben am Besten! In Madisi selbst ist auch genug los. So war vor Kurzem Malawis jetzige Präsidentin Joyce Banda zusammen mit dem Vizepräsidenten und einer Menge an Security in Madisi und hat zu den Leuten gesprochen. In Malawi gibt es sehr viele Parteien und in wenigen Tagen, am 20.Mai, sind die Wahlen, weshalb die meisten Kandidaten durch die Dörfer fahren und versuchen, die Menschen für sich zu überzeugen, da viele Malawier sich, auch noch so kurz vor den Wahlen, überhaupt nicht sicher sind, wen sie wählen möchten.
Außerdem war ich vor einiger Zeit in der CCAP-Gemeinde in Malawi, wo ein Fundraising stattfand: Mehr als 20 Chöre aus ganz Malawi sind gekommen und haben gegen eine Spende gesungen und getanzt. Das war wirklich sehr schön..einigen Kindern aus meiner Klasse hat es so gut gefallen, dass sie durchgehend getanzt haben, während die Chöre gesungen haben. Einige der Mädchen sind nun unserem Dancing Club beigetreten – man findet Talente manchmal eben an Orten, wo man sie gar nicht erwartet hätte!

Die letzten 3 Monate haben mich auch in meinen Ideen, wie ich meine Zukunft gestalten möchte, weitergebracht. Ich habe nämlich seit dem Abi zwischen Grundschullehramt und Lehramt am Gymnasium geschwankt, nun aber bin ich mir sicher, dass ich lieber Grundschullehrerin werden möchte. Schwester Raynelda hat es mir ermöglicht, mal eine Stunde in Standard 7 zu unterrichten und obwohl es Spaß gemacht hat, ist mir sofort klar geworden: Ich erkläre lieber Grundlagen, anstatt schon vorhandenes Wissen auszuführen.
Ich bin wirklich sehr froh und dankbar dafür, dass in in Madisi die Chance dazu habe, eine ganze Jahrgangsstufe zu unterrichten, obwohl ich noch nicht Lehramt studiert und auch sonst niemals vor einer ganzen Klasse unterrichtet habe, denn wie könnte ich mir sicherer sein, dass ich diesen Beruf in der Zukunft ergreifen möchte, als wenn ich nicht schon ein Jahr Erfahrung darin gemacht hätte?

Es geht nicht leicht übers Papier und erscheint mir bis jetzt auch noch so unglaubwürdig, aber: Den nächsten Bericht von mir werdet ihr schon aus Deutschland hören!

Liebe Grüße aus Malawi und Tionana!

Nicole

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen